Als wir zuletzt über den Digitalpakt schrieben, waren wenige Bundesländer dagegen. Jetzt wurde die Grundgesetzänderung von allen Bundesländern vorerst gestoppt.
Zeit, um grundlegend (und hoffentlich auch verständlich und richtig) darüber zu informieren, worum es eigentlich geht – der gesamte Streit ist nämlich ziemlich komplex.
Der Bund möchte die Länder bei der Finanzierung von digitalen Medien an Schulen unterstützen. Das betrifft vor allem Laptops, Notebooks, Tablets und Smartboards. In den nächsten fünf Jahren sollen insgesamt fünf Milliarden Euro an die Schulen fließen. Eigentlich sollte dieses Vorhaben direkt am 1. Januar 2019 starten, nachdem die Länder die Vereinbarung unterzeichnet hätten. Eigentlich – denn dann kam unser Grundgesetz ins Spiel, genauer gesagt Artikel 104b.
Im Jahr 2017 wurden zwei Änderungen des Grundgesetzes beschlossen: Artikel 104b und 104c. Beide betreffen das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern, das seit 2014 immer weiter gelockert wird und mit dieser Grundgesetzänderung im Zuge des Digitalpakts noch weiter gelockert werden soll: Während Artikel 104c, der besagt, dass nur finanzschwache Kommunen vom Bund unterstützt werden dürfen, wieder aufgehoben werden soll, sorgt der neu ergänzte Artikel 104b für den richtig großen Ärger. Dieser Artikel besagt, dass alle Bund-Länder-Projekte ab 2020 zu 50:50 finanziert werden sollen (2019 sollten die Anteile 90:10 betragen). Ein Beispiel: Bekäme Nordrhein-Westfalen einen Zuschuss aus dem Topf von einer Milliarde Euro, müsste das Land selbst genauso viel dazugeben. Finanzstarke Länder mögen das finanzieren können, aber ärmere Länder könnten den Bundeszuschuss dann gar nicht erst beanspruchen. So kommt es, dass die Länder, obwohl sie das Geld für die Digitalisierung zu gern hätten und auch brauchen, dennoch die Grundgesetzänderung gestoppt haben (und diese Änderung übrigens auch für unnötig halten) und so etwa jede Landesregierung in Bezug darauf Sätze und Wortgruppen wie «Frontalangriff auf unsere föderale Ordnung» (Winfried Kretschmann) oder «vergiftetes Geschenk der schlimmsten Art» (Bodo Ramelow) von sich gibt.
Aber wieso gibt es diesen überarbeiteten Passus 104b überhaupt? Laut dem Verfassungsrechtler Wieland ist es wohl schon häufiger vorgekommen, dass der Bund Länderprojekte finanziert hat, an denen sich das entsprechende Land dann finanziell aber überhaupt nicht beteiligt hat. Außerdem gab es schon Fälle, in denen das bewilligte Geld des Bundes vom Land einfach für etwas komplett anderes ausgegeben wurde – denn darüber, wie die Steuergelder eingesetzt werden, entscheiden die Länder allein. Rechtlich bindend sind politische Vereinbarungen nämlich nicht.
Wie geht es jetzt weiter? Die Länder haben bereits den Vermittlungsausschuss angerufen. Im Laufe dieses Verfahrens könnte es dann zu einem Kompromiss kommen, beispielsweise in Bezug auf die 50:50-Regelung. Aber fest steht ganz sicher: Ab dem 1. Januar wird an dieser Baustelle noch gar nichts laufen.